Pilot III

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Pilot III

Tabulaturnotation als Spiegelbild der Kultur des 16. Jahrhunderts


Bei diesem Pilotprojekt handelt es sich um eine musikhistorische Studie mit einem verstärkten theoretischen Ansatz im Bereich der Notation und ihrer historischen Semantik im Kontext der “cultural studies”. Es wird untersucht, wie historiographische Methoden des 16. Jahrhunderts die Entstehung der Lautentabulatur und ihr zeitgenössisches Verständnis beeinflusst haben. Diese spezifische Art des Partitur-Schreibens etablierte sich, als die Historiographen begannen, die Geschichte der Menschheit in Form von Tabellen (figurae) intensiv zu erfassen. Die Sammlungen standen somit für eine neue Idee von “komprimiertem Wissen” (Steiner, 2008). Obwohl chronographische Tabellen auf den ersten Blick ganz anders aussehen als Lautentabulaturen, wird ein diskursanalytischer Ansatz zeigen, wie Tabulaturen im Allgemeinen konzipiert waren und wie sie in das “Denken in Diagrammen” der frühneuzeitlichen Kultur integriert wurden.
Exemplarisch wird in dieser Pilotstudie das Tabulaturbuch D-Mbs Ms. 1512 bearbeitet und untersucht. Das Repertoire dieser Tabulatur wird für weitere historische Diskussionen zur Lautennotation und ihrer diagrammatischen Darstellungsform (Krämer, 2016) bereitgestellt. Die Untersuchung der Texte und der Musik, die unsere Edition bietet, ermöglicht außerdem intertextuelle Bezüge zwischen D-Mbs Ms. 1512 und bekannten Quellen wie Sebastian Virdung’s Musica getutscht (1511) oder Hans Newsidler’s Ein Newgeordent Künstlich Lautenbuch (1536) zu verfolgen.